Eine Berliner Erfolgsgeschichte: Wie Mustafa Mahmoud vom Flüchtlingskind zum Eliteschulabsolventen wurde
© Antje Kuhl Eine Berliner Erfolgsgeschichte: Wie Mustafa Mahmoud vom Flüchtlingskind zum Eliteschulabsolventen wurde
Mustafa Mahmoud ist mit zwölf allein aus Syrien geflüchtet und fand bei Pflegeeltern in Berlin ein neues Zuhause. Jetzt ist er Absolvent einer Eliteschule und studiert an einer Privatuniversität.
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Ob Sir Simon Rattle Mustafa Mahmoud kennt? „Na klar, er war ja in der Klasse von unserem Sohn“, sagt der frühere Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. „Wir haben von seiner Geschichte erfahren. Sehr beeindruckend.“ In der Aula der Elite-Privatschule „BBIS Berlin Brandenburg International School“ in Kleinmachnow herzen Eltern stolz ihre Kinder in den blauen Roben. „You did it! We are so proud of you!“, steht auf den Plakaten.
Als Mustafa Mahmoud hier anfängt, spricht er kaum Englisch. Jetzt haben sich zur Feier des Highschool-Abschlusses alle BBIS-Absolventen am Brandenburger Tor getroffen, um die Doktorhüte gemeinsam in die Luft zu werfen. Es sind Söhne und Töchter von Unternehmens-CEOs aus China und den Emiraten, von Botschaftern und Diplomaten aus den USA und Lateinamerika, von Künstlerfamilien aus Südkorea. „Ich habe so viele Freunde, ich kann mir die Länder gar nicht alle merken. Manche Väter laufen jedenfalls mit Bodyguards“, sagt der 21-Jährige aus Steglitz-Zehlendorf.
Auch um Mustafa Mahmoud herum schwebten so etwas wie Schutzengel. Zwei von ihnen heißen Antje Kuhl und Ralf Ludwig. Sie waren vom 5. Mai 2016 bis zum 30. April 2019 Mustafas Pflegeeltern, bis heute sind sie in engem Kontakt. Somit kann sich der junge Mann, der sein „International Baccalaureate“-Zertifikat gerade in die Handykameras hält, an seinem großen Tag über Gratulationen zweier Familien freuen. Seine leiblichen Eltern, die Geschwister, die Verwandten sind auch glücklich. „Ich hatte von Anfang an gemerkt, dass seinen Eltern Bildung sehr wichtig ist“, sagt Ralf Ludwig.
Fürs Foto draußen strahlen der junge Mann mit der Fliege und der ältere Mann regelrecht. Beide tragen Anzug. Ex-Pflegemutter Antje Kuhl hält die Gratulationsblumen. Dass der eine aus Erlangen, die andere aus Berlin und der Dritte aus einer Stadt in Syrien stammt, spielt bei der Zusammengehörigkeit keine Rolle. Die ehemaligen Pflegeeltern sind unendlich stolz darauf, was Mustafa geschafft hat.
Noch vor sieben Jahren hatten sie mit dem 13-Jährigen geübt, dass im Deutschen nicht wie im Arabischen von rechts nach links, sondern von links nach rechts geschrieben wird. Mit anderen Buchstaben und sogar anderen Zahlen. Grammatik, Grundrechenarten, Geografie: Wieder einmal – wie früher beim großen Sohn Maximilian – musste das Paar dem Kind nach der Arbeit beim Lernen helfen. Doch diesmal war es wegen fehlender Sprachkenntnisse schwerer. Dabei halfen nur Gestik, Mimik und der Google-Translator.
Anlass war ein Tagesspiegel-Artikel
Als sich beide Welten erstmals berühren, ist Antje Kuhl 53, ihr Mann Ralf Ludwig 56 Jahre alt. Ludwig arbeitet 2015 mit Leidenschaft in der IT-Branche, Kuhl engagiert sich als Stadt- und Regionalplanerin in einem Berliner Bezirksamt. Ihr Sohn ist längst aus dem Gröbsten raus. Endlich mehr Zeit fürs Ruderhobby, fürs Wandern, fürs Zeitunglesen, sagen sich die Eltern. Andererseits: Soll es das jetzt gewesen sein, bis vielleicht einmal Enkelkinder kommen?
„Und dann lasen wir den Artikel von Ihnen im Tagesspiegel“, erzählen sie heute: „Berlin sucht Pflegeeltern für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.“ Die Stadt startete damals ein Pflegeeltern-Projekt. „Anfangs sprachen die Behörden davon, dass wir nur Gasteltern werden sollten“, sagt Ludwig. Stattdessen wurden sie fürs Leben Eltern des Herzens.
Mustafa lebt damals als Zwölfjähriger im improvisierten Heim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) Störitzland in Brandenburg. Heute liegt dort Tesla um die Ecke. Dutzende Jungs ohne ihre Eltern aus aller Krisenländer der Welt wohnen dort. Im Frühjahr 2016 werden alle wieder nach Berlin verteilt. Die meisten kommen dabei in Einrichtungen der Jugendhilfe, einige zu Pflegeeltern, von denen etliche Tagesspiegel-Leser sind.
Die sind nett. Zu denen gehe ich.
Mustafa Mahmoud, unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Syrien, damals zwölf Jahre alt
In der Ausnahmesituation gibt es nur ein Kennenlerntreffen. „Die sind nett. Zu denen gehe ich“, entscheidet der Junge. Im Wohnzimmer seines alten Zuhauses erinnert er sich jetzt noch gut an diese Zeit. Seine Pflegeeltern fahren kurz danach in einen Kurzurlaub, alleine. Der Junge soll vorübergehend anderswo unterkommen. Wie sehr er sich auf die Rückkehr von Ralf und Antje freut? Die Fragestellerin zeigt damals mit den Fingern verschiedene Zentimeterabstände an. Das Kind antwortet: „So viel, wie ganz Deutschland groß ist.“
Kind aus Kriegsgebiet mit Behinderung
„Antje und ich haben vor der Zusage beim Jugendamt eine Alpenüberquerung zu Fuß genutzt, um uns darüber klar zu werden: Wir machen das“, erzählt Ludwig acht Jahre später. „Eine Alpenüberquerung ist ja so was Ähnliches wie ein Pflegekind großzuziehen“, sagt er. „Riesige Berge stehen vor einem und man kann erst wissen, ob man es schafft, wenn man den ersten Schritt geht.“ Aber: „Ganz ehrlich, ich musste auch überlegen, ob ich mir das zutraue, ein Kind aus einem Kriegsgebiet und mit körperlicher Behinderung aufzunehmen und zu erziehen.“
© Annette Kögel
Dann habe er sich gesagt: erst recht. „Du hättest aber nicht gedacht, dass du jemanden aufnimmst, der mental so stark ist, oder?“, fragt ihn der heute 21-jährige Mahmoud in flüssigem Deutsch. Er grinst und legt dabei den Arm um Ludwig.
Fußballspielen, Rutschen, Klettern, Wandern, all dies ist auch mit einem angeborenen verkürzten linken Bein möglich. Das Knie hatte Mahmoud als Kind in Höhe der Oberschenkelmitte. Was das für die Familie bedeutet? Als der Junge noch klein ist, lässt er sich immer nach einem vollen Tag am liebsten Huckepack von seinem Pflegevater auf sein Hochbett tragen. Ein Ritual zur Schlafenszeit. „Ich habe mir viel Zeit fürs gemeinsame Lesen genommen“, sagt Ludwig. Das alte Kinderzimmer ist jetzt Antje Kuhls Büro. Feste Tagesabläufe und Strukturen brauchen Kinder ebenso wie Verlässlichkeit. Außerdem baut Ludwig für das Kind ein Fahrrad um, damit Mahmoud mit der Orthese fahren kann. Das hat er jetzt noch.
Eigene Erfahrung wird Thema im Unterricht
Die Balkanroute hatte Mustafa Mahmoud mit seinem schweren Holzverlängerungsbein absolviert. Als einer seiner Lehrer in Berlin die Flüchtlingskrise im Unterricht durchnimmt, der Krieg in Syrien, die Ertrinkenden im Mittelmeer, „da haben einige Mädchen angefangen zu weinen“, erinnert sich Mahmoud. Dann sagt der Lehrer: „Euer Mitschüler Mustafa hat das selbst erlebt.“ Die Zeit steht still im Klassenzimmer. „Ich bin stark“, sagt der junge Mann rückblickend. Die neue Sprache, neue Welt, das neue Leben, die Hausaufgaben, die anspruchsvollen Schultage? „Klar, das war alles anstrengend, aber im Vergleich dazu war es easy.“
© Antje Kuhl
Er meint die Flucht. Sein leiblicher Vater, sein Baba, wie Vater auf Arabisch heißt, hatte im Sommer 2015 keinen anderen Ausweg gesehen, als seinen ältesten Sohn auf die Flucht nach Deutschland zu schicken. Wenn einer das schaffe, dann er. Für eine Flucht der gesamten Familie hätte das Geld nie gereicht.
„Mein Vater hat in Syrien als Elektriker und als Taxifahrer gearbeitet, aber das Auto ist ihm gestohlen worden“, sagt Mahmoud. „Dass ich als einziger von uns nach Deutschland gehen soll, habe ich zwei Tage vor meiner Abreise erfahren.“ Am Tag davor erhielt er sein erstes Handy, zur digitalen Navigation und als Nabelschnur ins alte Zuhause. Ein Freund der Familie, der ebenfalls flüchtete, sollte auf den Jungen aufpassen.
Anders als andere Kinder musste Mahmoud nicht von Syrien durch die Türkei laufen. Er gelangte über die Grenze nach Libanon und per Flugzeug dorthin. Was er noch erlebt hat, erzählt er, hier im alten Zuhause, seinen Pflegeeltern. Aber auch nicht alles. „Im Zweiten Weltkrieg haben auch viele Deutsche ihre Kinder verschickt, um sie zu retten“, sagt Antje Kuhl.
Bombenlärm und Geschlechtertrennung
Die Grundschulzeit in Syrien, das war Alltag im Krieg, mit Lichtern und Lärm von Raketen und Flugzeugen mit Bomben am Himmel. „In der Grundschule saßen die Mädchen in der einen, die Jungs in der anderen Hälfte des Klassenraums“, erinnert sich Mahmoud. Jeden Morgen war im Hof der Fahnenappell aufs Vaterland zu leisten.
Wäre Mahmoud in Syrien in die Oberschule gekommen, hätte er nur mit Jungen in der Klasse gesessen. „Ich war auch im Jungeninternat, das haben wir gemeinsam“, sagt Ralf Ludwig, „So richtig geklappt hat das mit der Trennung von den Mädchen aber spätestens nach Schulschluss nicht mehr.“ Die beiden grienen.
Antje Kuhl hat als Pflegemutter Mahmoud gegenüber immer gescherzt, was sie tue, wenn er nicht artig sei: „Ich ziehe dir die Ohren lang.“ Da wusste sie nicht, dass in syrischen Schulen körperliche Züchtigung teils üblich ist, wie dem Tagesspiegel mehrfach geschildert wurde. Hausaufgaben vergessen? „Frech“ gewesen? Aufgabe falsch gelöst? Zur Strafe sei es bei einigen Lehrkräften beliebt, den Kopf an der Haut vor den Ohren nach oben oder die Ohrläppchen nach unten zu ziehen, heißt es. Und: Hand nach vorne ausstrecken! Kinder bekommen mit dem Stock oder dem Lineal einen Schlag darauf.
© privat
„Bei uns in Deutschland ist das auch noch gar nicht so lange her, dass solche Erziehungsmaßnahme verboten wurden“, sagt Kuhl. Mustafa entgegnet auf der Couch verschmitzt: „Aber ich war schon immer ein guter Junge und damals nicht oft dran.“
Schwimmen lernen dank Trainerin mit grünen Haaren
Vom Heim „Störitzland“ aus mitten im brandenburgischen Wald kann nicht jeder zur Schule gehen. Immerhin gibt es Fußballtore, UNO-Kartenspiele und einen See, wenn auch keiner der Jungs schwimmen kann. Bei seinen Pflegeeltern macht Mahmoud später sein Seepferdchen. Die ehrenamtliche Trainerin Diana Kohnert von den „Berliner Wasserratten 1889 e.V.“ bringt ihm Schwimmen bei. Sie trägt offene grüne Haare. „Auch das ist Integration“, sagt Ralf Ludwig. „Jeder Mensch darf hier leben wie er oder sie möchte.“
Ein Minibus fährt einige der Heimkinder in die Willkommensklasse der Pestalozzi-Grundschule nach Zehlendorf. Vor dem Unterricht sammeln die Lehrerinnen ihre Handys ein, damit die Kinder sich auf den Unterricht fokussieren. Eine Herausforderung für alle. Im Juni 2016 können einige Schüler aus der Willkommensklasse in die dortige Regelklasse 6a wechseln. Mahmoud gehört zunächst nicht dazu.
„Da war er so sauer, dass er gar nicht mehr in diese Schule gehen wollte“, sagt Ludwig. „Aber irgendwie muss er sich reingekämpft haben.“ Mahmoud nickt. Sein ehemaliger Pflegevater hat alle E-Mails aus dieser Zeit wie einen Schatz aufgehoben. Er findet darunter ein Statement an das Jugendamt: „Mustafa besucht zurzeit die Regelklasse 6a der Pestalozzi Schule mit Sonderbetreuung.“
Wegen Spracherwerbs um zwei Schuljahre zurückgestuft
Auch die Pflegeeltern hatten unzählige Hausaufgaben zu machen. Es folgte der schulische Einstufungstest am 9. Juni 2016 im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf und die Zuweisung zum Werner-von-Siemens-Gymnasium. „Dort sollte Mustafa für mindestens ein weiteres Jahr Willkommensklasse machen“, berichtet Antje Kuhl. „Das fanden wir als Förderung und zur Integration zu wenig“.
Der Junge wurde schließlich, wie andere unbegleitete geflüchtete Minderjährige auch, um zwei Schuljahre zurückgestuft, damit er mehr Zeit hat, Deutsch zu lernen. „Das hat mich gestört, ich wollte es schneller schaffen“, sagt Mahmoud heute. „Ich habe auch zwei Schuljahre länger machen müssen, aber aus anderen Gründen“, sagt Ralf Ludwig. „Aus mir ist auch was geworden“, fügt er hinzu. „Da warst du besser.“
Der Pflegevater organisiert die Teilnahme an Deutsch-Ferienkursen. Die seien aber nicht immer gut angekommen, „es liegt alles immer an der Qualität des Unterrichts“. Der Ferienkurs mit Kletterpark macht dem Jungen allerdings Spaß.
Es folgen weitere Jugendreisen mit Reiten oder Sightseeing in den Ferien. So sollten Mahmoud und drei seiner Freunde, die er aus dem Heim kennt und mit denen er bis heute innig befreundet ist, Deutschland immer besser kennenlernen. Den Pflegeeltern wiederum springt der Junge bei, etwa wenn sie Probleme mit dem Handy haben, und im Haushalt – besonders gern beim Plätzchenbacken zu Weihnachten.
Glücksfall und Herausforderung
Und dann kommt die Info von der Pflegekinderhilfe Steglitz-Zehlendorf. Ein Junge aus Afghanistan hat ein Flüchtlingsstipendium an der BBIS Berlin-Brandenburg International School nicht angenommen.
Dies könnte nun laut der Expertin der Kinder- und Jugendhilfe „eine großartige Möglichkeit“ für Mahmoud sein. Unterrichtssprache ist Englisch. Auf die Sprachkenntnisse komme es nicht in erster Linie an, „es geht primär darum, dass sich der Junge engagieren und was erreichen will“, schreibt die Expertin.
Man musste es ausprobieren.
Ralf Ludwig, ehemaliger Pflegevater von Mahmoud, über die Elite-Privatschule BBIS
Dennoch: Das Kind hatte Deutsch gerade als neue Sprache gepaukt. Mache das jetzt Sinn, fragten sich die Pflegeeltern. Eine bessere Chance habe es eigentlich nicht gegeben, sagt Ludwig. „Man musste es ausprobieren.“ Haben Kuhl und Ludwig die leiblichen Eltern dabei zurate gezogen?
„Bei unserem Sohn Max, der für ein Auslandsjahr nach Neuseeland ging, haben wir die volle Verantwortung den Gasteltern überlassen.“ Genau das habe auch Mahmouds Vater gemacht, sagt Ludwig. In einem übersetzten Telefonat, in dem es eigentlich um die medizinische Behandlung von Mahmouds Behinderung ging, hatte er ihm mit auf den Weg gegeben: „Er ist jetzt bei dir, was du entscheidest, ist richtig.“
An der BBIS sind auch die Eltern der Mitschüler weit weg
Die BBIS entpuppt sich als gute Entscheidung. Alle Mitschüler:innen kommen von woanders her. Alle müssen sich neu in Berlin einfinden. Bei manchen Mitschülern sind die Eltern im Ausland und damit unerreichbar weit weg. Sie rufen Taxis, um in der Freizeit von A nach B zu kommen. Welche Lebensgeschichte wer hat, es macht für die Klassenkameraden, für die Lehrer oder für die Eltern keinen Unterschied. Es zählt der Mensch.
Zugleich geht es viel um den Ernst des Lebens, um Lebenswege als „Leader“ und internationale Karrieren. Mahmouds Lehrerinnen und Lehrern suchen stets den direkten Draht zum Pflegevater. Ende August 2016 war der Pflegesohn in die Klasse 6c der BBIS mit etwa 15 Mitschülern gekommen. „Meine Englischlehrerin hat sich mit mir vor der Schule getroffen. Keiner hat sie gebeten, sie hat es einfach gemacht“, sagt Mahmoud. Das Frühstück war gleichzeitig Englischnachhilfe. „Mein Englisch war vorher, sagen wir es mal so: null Prozent. Auch in der Pause habe ich mich mit Englischlehrern getroffen, sie haben mir was beigebracht.“
Nach der Schule: lange Tage. „Wenn ich im Unterricht was nicht verstanden habe, dann hat es mir ein Mitschüler, der gut Deutsch konnte, von Englisch auf Deutsch übersetzt.“ Ralf Ludwig hat den Eindruck gewonnen, „dass an der BBIS eine Stimmung ist, man hilft sich gegenseitig“. Wohl mit Erfolg: „Als ich ihn mal wegen einer Gesundheitsbehandlung später zu einer Klassenfahrt nachgefahren habe, fing er 30 Kilometer davon entfernt an, Englisch zu reden“, sagt Ludwig. Der zweite „Daddy“.
Syrische Familie wiedervereint
2019 kommen Mahmouds Eltern und Geschwister über den Familiennachzug nach. „Wir haben den Jungen dann seinen Eltern gern und glücklich übergeben“, sagt Ralf Ludwig. „Mission completed.“ Mustafa Mahmoud muss jetzt auch in Hostelzimmern in Flüchtlingsunterkünften alleine Hausaufgaben machen und lernen. Hin- und Rückweg zur BBIS dauern jeweils anderthalb Stunden, einschließlich Schulbus-Fahrt. In der elften und zwölften Klasse zieht der Unterricht stark an. Auch das packt Mahmoud.
Bis heute kommen täglich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Berlin an, von einem Zuhause wie Mustafa Mahmoud es hat, können sie nur träumen. Alle haben es mittlerweile schwerer als damals. Berlins Unterkünfte und Schulen sind voll – und das Maß scheint ebenso voll zu sein: So empfinden es aktuell Umfragen zufolge die meisten Bundesdeutschen. Die Willkommenskultur von 2015/16, sie ist Vergangenheit. „Dabei funktioniert Integration nur, wenn beide Welten gut zusammenarbeiten“, sagt Ralf Ludwig, „wenn Hauptamt und Ehrenamt sich eng verzahnen.“ Oder auch: Pflegefamilie und leibliche Familie, Schule, Vormund, Pflegekinderdienst, Jugendamt, Freunde, Nachbarn, Ärzte, Arbeit. Und was macht Mahmoud heute?
Der 21-jährige Mustafa Mahmoud studiert seit dem 1. Oktober das Fach „International Business Administration“. Er ist an der privaten Universität „SRH Berlin University of Applied Sciences“ in Charlottenburg eingeschrieben. Die Studiengebühren verdient er sich selbst in seinem Job an der Kasse eines großen Supermarktes. Mit Ludwig regelt er auf der Couch des alten Zuhauses jetzt schnell noch Formelles zu Finanzen.
Sein leiblicher Vater geht längst arbeiten. Seine jüngere Schwester hat auf ihrem Weg zum Abi einen Einser-Schnitt an der Oberschule. „Und meine älteste Schwester habe ich als Lehrerin an eine Schule vermittelt“, sagt Mahmoud nicht ohne Stolz. Antje Kuhl und Ralf Ludwig haben für diese Schwester ihres ehemaligen Pflegesohnes für fünf Jahre eine Bürgschaft übernommen, damit auch sie nach Deutschland kommen konnte. Engagement, und wieder mit Herz, Hirn, Humor, Hingabe und Hartnäckigkeit. Bei der Feier ihres Bruders in der Aula der BBIS ist auch sie voller Stolz. Wie Familie Rattle auf ihren Sohn.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de