Ein Antibiotikum danach: Vorbeugung nach riskantem Sex
© National Institute of Allergy and Infectious Diseases, National Institutes of Health, CC BY-NC Ein Antibiotikum danach: Vorbeugung nach riskantem Sex
Ein vorsorglich eingenommenes Mittel kann sexuell übertragbare Infektionen wie Tripper und Syphilis verhindern. Experten empfehlen es aber nur für besonders Gefährdete.
Von
Eine Dosis eines gewöhnlichen Antibiotikums soll als „Pille danach“ vor sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis, Gonorrhö (Tripper) oder Chlamydien schützen, die von Bakterien verursacht werden. Wenn das Mittel innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Sex eingenommen wurde, konnten rund zwei Drittel der Erkrankungen verhindert werden, so ein Forschungsteam um Annie Luetkemeyer vom Zuckerberg San Francisco General Hospital.
Im Fachjournal „New England Journal of Medicine“ berichtet das Team über eine Studie mit etwa 500 Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), und Transfrauen, die vorbeugende Mittel gegen HIV einnahmen oder mit einer HIV-Infektion lebten. Alle Proband:innen hatten im Jahr vor Studienbeginn eine sexuell übertragbare Infektion („sexually transmitted infection“, STI) durchgemacht.
Ein Teil der Gruppe nahm innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Sex eine Dosis des Antibiotikums Doxycyclin. Die Pille wurde durchschnittlich viermal pro Monat eingenommen, wobei ein Viertel der Teilnehmenden sie sogar zehnmal oder häufiger einnahm. Alle drei Monate wurden alle Teilnehmenden auf sexuell übertragbare Erkrankungen getestet.
„Es ist ein sehr klares Studiendesign mit einer Patientenkohorte mit Hochrisikoprofil in Bezug auf sexuell übertragbare Infektionen“, sagte Georg Stary von der Medizinischen Universität Wien dem Science Media Center Deutschland (SMC). Es sei bekannt, dass Patienten, die Mittel einnehmen, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen, häufig ungeschützten Geschlechtsverkehr haben und sich ein Teil von ihnen häufig mit sexuell übertragbaren Krankheiten ansteckt. Die Daten zeigten, dass die einmalige Gabe des Antibiotikums „nach einem Hochrisikokontakt in dieser Patientengruppe effektiv zu sein scheint“, so Stary.
Im Studienzeitraum konnte das Mittel etwa zwei Drittel aller Erkrankungen verhindern, ohne dass schwere Nebenwirkungen aufgetreten sind. Die Ergebnisse sprechen laut des Forschungsteams dafür, dass Männer, die Sex mit Männern haben, das Mittel nach ungeschütztem Verkehr einnehmen.
Die Zahl der STIs hat in den vergangenen Jahren in Deutschland zugenommen. „Wenn sich weniger Personen mit jenen drei bakteriellen STIs anstecken, dann sind insgesamt weniger STIs im Umlauf“, sagte Stary. Dadurch könnten auch Menschen geschützt werden, die das Medikament nicht einnehmen. Generell empfehlen würde Stary es deswegen allerdings nicht. „Es ist besorgniserregend, dass es in dieser Patientengruppe zu vermehrten Resistenzen bei Gonokokken kam.“ Gonokokken rufen die Gonorrhö hervor.
Auch Norbert Brockmeyer von der Ruhr-Universität Bochum, der Vorsitzende der Deutschen-STI-Gesellschaft, verweist auf die „sehr große“ Gefahr der Bildung von Resistenzen bei Gonokokken, aber auch bei anderen STI-Erregern und anderen Bakterien insgesamt.
Wenn viele Menschen das Mittel häufig, aber jeweils nur einmalig einnehmen, könnte das die Verbreitung von Bakterienstämmen begünstigen, gegen die das Antibiotikum nicht mehr wirkt. In Europa liege die Resistenzrate für Gonokokken bezüglich Doxycyclin bei 60 bis 70 Prozent und in Deutschland bei 80 Prozent, sagte Brockmeyer dem SMC. „Also können wir in der EU nur noch mit einer Verringerung der Infektionen bei Chlamydien und Syphilis rechnen.“
„Die langfristige Verwendung scheint mir nicht sehr zukunftsträchtig“, sagt Stary. Eine Empfehlung wäre „wenn überhaupt“ nur für eine selektive Gruppe sinnvoll. „Und auch da ist das mit den Resistenzen ein Problem, welches sehr ernst genommen werden muss.“
Zur Startseite
- Aids
- Biomedizin
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de