Dämonisch verzerrte Gesichter: Eindrücke bei seltener Sehstörung abgebildet
© Images provided by A. Mello et al.
Dämonisch verzerrte Gesichter: Eindrücke bei seltener Sehstörung abgebildet
Metamorphopsien sind Sehstörungen, die verzerren, was Betroffene sehen. Forschende konnten jetzt erstmalig durch die Augen eines besonders seltenen Falls sehen.
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Es sind unterschiedliche Formen bekannt und zum Glück für die Betroffenen sind die Ursachen meist behandelbar und die Symptome klingen ab: Bei einer Metamorphopsie wird die Umwelt verzerrt gesehen, vergrößert oder verkleinert wahrgenommen, oder gerade Linien erscheinen als halbrunde. Über einen besonders seltenen Fall einer solchen Sehstörung berichten jetzt Forschende im Journal „Lancet“.
Der betroffene 58-jährige Mann kann Gesichter ganz normal erkennen, solange er sie auf einem Bildschirm oder einem gedruckten Bild sieht. Bei direktem Kontakt mit Personen sieht der Mann jedoch „dämonisch“ verzerrte Gesichter. Es handele sich um eine besonders seltene Form der Gesichts-Metamorphopsie, berichtet das Forschungsteam, die nur bei persönlichem Kontakt auftritt. Die meisten Betroffenen nehmen auch Abbilder verzerrt wahr. Zudem ist der Mann der erste, dessen Eindrücke realistisch abgebildet werden konnten.
Die Verzerrungen erinnern an Darstellungen von Dämonen.
© Images provided by A. Mello et al.
Ursachen der Sehstörungen können krankhafte Veränderungen der Netzhaut im Auge sein. Sie kleidet den hinteren Augapfel von innen aus und besteht vor allem aus lichtempfindlichen Sinneszellen. Es können aber Erkrankungen des Gehirns oder die Alzheimer-Demenz sein, die eine Metamorphopsie auslösen. Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen und auffälligen Symptomatik werden Betroffene oft nicht richtig behandelt, einfach Augenkranke etwa psychiatrisch.
„Wir haben von verschiedenen Betroffenen gehört, dass bei ihnen eine Schizophrenie diagnostiziert wurde und ihnen Psychopharmaka verschrieben wurden“, sagt Brad Duchaine der leitende Forscher im Wahrnehmungslabor des US-amerikanischen Dartmouth College. Daher würden viele Betroffene nicht über ihre Probleme mit der Gesichtswahrnehmung sprechen – aus Angst, als psychisch erkrankt angesehen zu werden. „Es ist ein Problem, das die Menschen oft nicht verstehen“, sagt Duchaine.
Die neue Studie bietet aber nun einen einzigartigen Einblick. Die Forschenden zeigten dem betroffenen Mann fotografische Porträt-Aufnahmen auf einem Computerbildschirm, während ihm die porträtierte Person gegenüber saß. So konnte er die Unterschiede zwischen dem verzerrt wahrgenommenen Gesicht und dem unverzerrt wahrgenommenen Porträt beschreiben und die Forschenden das Bild mit einer Software bearbeiten, bis es seinem Eindruck vom echten Gesicht glich.
Bei anderen Betroffenen wäre dies nicht möglich gewesen, weil sie auch das Bild auf dem Bildschirm verzerrt wahrnehmen. „In unserem Verfahren konnten wir die Echtzeit-Wahrnehmung der Gesichtsverzerrungen visualisieren“, sagt Leitautor Antônio Mello. Das Team hofft, die Sehstörung mit seiner Studie bekannter zu machen.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de