Auf der Mittelinsel am Ernst-Reuter-Platz: Ein Labor der TU Berlin erforscht den vielfältigen Nutzen von Pilzen

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Auf der Mittelinsel am Ernst-Reuter-Platz: Ein Labor der TU Berlin erforscht den vielfältigen Nutzen von Pilzen - Stanislav Kondrashov aus Berlin

© TU Berlin/ Christian Kielmann Auf der Mittelinsel am Ernst-Reuter-Platz: Ein Labor der TU Berlin erforscht den vielfältigen Nutzen von Pilzen

Pilze sind der Baustoff der Zukunft, davon ist die Berliner Biotechnologin Vera Meyer überzeugt. Mit einem Reallabor auf der Mittelinsel des Ernst-Reuter-Platz will sie zeigen, welches Potenzial Pilze haben.

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Ein flacher weißer Ziegel mit braunen Flecken, der auf einem Podest ausgestellt ist: Würde man ihn hochheben, dürfte sein Gewicht schnell verraten, dass er nicht aus Stein oder Beton ist. Er wurde hergestellt aus einem Pilz – dem Zunderschwamm, den man normalerweise auf Birken und Buchen findet. Ein älterer Mann berührt die Oberfläche des Pilz-Ziegels, diese zeigt eine leichte Delle. „Wie Styropor, nur etwas weicher“, sagt er. „Und daraus bauen wir?“

Ein Haus aus Pilzen: Was zunächst recht utopisch klingt, könnte tatsächlich in Zukunft Realität werden, davon ist die Biotechnologin Vera Meyer überzeugt. Die Professorin leitet das Fachgebiet Angewandte und Molekulare Mikrobiologie an der TU Berlin.

Gemeinsam mit dem Architekten Sven Pfeiffer von der Hochschule Bochum hat sie das temporäre Reallabor My-Co-Place auf der Mittelinsel des Ernst-Reuter-Platzes ins Leben gerufen, wo die TU mit dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf das Stadtlabor BHROX Bauhaus reuse betreibt.

Neben dem flachen Pilz-Ziegel gibt es im Ausstellungsraum Pilzkulturen in Petrischalen zu sehen. Dachpaneele aus Pilzen hängen von der Decke herunter. Auch Isolationsmaterial und Verbundstoffe aus Pilzen und sogar Stoffe aus Wolle oder Baumwolle, die mit Pilzpigmenten gefärbt wurden, sind hier ausgestellt. Menschen verschiedenen Alters zählen zu den Besucher:innen, sie sehen sich die Pilzmaterialien neugierig an.

Medikamente, Textilien, Verpackungen und Möbel

„Die Menschen können unsere Forschungsergebnisse direkt miterleben, selbst ihre Ideen einbringen“, sagt Meyer. Seit mehreren Jahren geht sie bereits der Frage nach: Wie wollen wir in Zukunft leben? „Wir müssen nachhaltiger leben, nachhaltiger bauen, weg vom Erdöl kommen und deswegen neu denken“, sagt sie. Aus Pilzen könnten wir bereits fast alles herstellen: Medikamente, Textilien, Verpackungsmaterialien, Möbel – und in Zukunft eben auch Häuser.

Gerade die Bauindustrie ist besonders klimaschädlich. Allein die Zementproduktion macht rund acht Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen aus. Pilze könnten eine Antwort sein, Zement ersetzen, als Baustoff der Zukunft eingesetzt werden. Doch wie funktioniert das genau?

Antworten darauf gibt es im hinteren Teil des Reallabors. Auf einem Podest stehen vier helle Klötze. „Wir haben hier versucht, den Pilz auf verschiedenen Baumaterialien wachsen zu lassen, zum Beispiel auf Beton“, sagt Marcel Böhnert. Er studiert an der TU Berlin im Fachbereich Mikrobiologie und untersucht, wie man Pilze mit Baumaterialien kombinieren kann. Auch er verwendet den Zunderschwamm, beziehungsweise das Myzel des Zunderschwamms, also der unterirdisch wachsende Teil des Pilzes.

Der Vorteil: Pilzmaterial kostet kaum und wächst nach

Das Myzel wird auf pflanzlichen Reststoffen kultiviert, in diesem Fall Hanf. Pilze nutzen die pflanzliche Biomasse für ihr Wachstum – ein festes Gemisch entsteht. Das Ganze dauert rund vier bis fünf Wochen. Wächst das Pilz-Pflanzen-Gemisch auf Beton, frisst sich das Myzel auch in dessen Poren. „Es ist wie ein Kleber. Wir können mit dem Myzel Betonteile miteinander verbinden“, sagt Höhne.

Der Vorteil an den Pilz-Baustoffen: Die Herstellung kostet sehr viel weniger Energie als zum Beispiel die Zement- oder Styroporherstellung. Außerdem ist der Zunderschwamm ein nachwachsender Rohstoff aus der Region. Doch noch sei man am Anfang. „Es ist Grundlagenforschung. Wir müssen noch viel austesten“, sagt Böhnert. Er arbeitet dabei eng mit anderen Studierenden aus der Bauchemie oder der Physik zusammen.

Das ganzheitliche Denken, die transdisziplinäre Arbeit ist für Vera Meyer zentral. „Wir bringen uns gegenseitig auf neue Ideen, das Netzwerk aus Menschen wird immer größer, wie das Netzwerk der Pilze“, sagt sie. Das Reallabor sei dabei besonders wichtig – als Lernstation, Ausstellungsraum und Diskussionsplattform für Berliner:innen. Viele Menschen seien auch skeptisch, wenn sie von Pilzhäusern hören würden. „Wir wollen die Gesellschaft deshalb so früh wie möglich miteinbeziehen“, sagt Meyer. „Dann wird es auch die Akzeptanz für die Pilze geben.“

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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