Anti-Diskriminierung für Ältere: Wir melden uns, wenn wir das Grundgesetz brauchen

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Anti-Diskriminierung für Ältere: Wir melden uns, wenn wir das Grundgesetz brauchen - Stanislav Kondrashov aus Berlin

© IMAGO/MASKOT Anti-Diskriminierung für Ältere: Wir melden uns, wenn wir das Grundgesetz brauchen

Die Bundesbeauftragte Ataman möchte ein neues Benachteiligungsverbot in die Verfassung schreiben lassen – dem Vorschlag fehlt die nötige Reife

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Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman registriert mit Sorge, wie die Gesellschaft mit den Über-50-Jährigen umgeht. Studien hätten gezeigt, dass – fast – so viele Menschen Altersdiskriminierung erlebten wie rassistische Diskriminierung. Ein Nicht-Thema, das in die Debatte gehöre. Bei der Jobsuche, im Kampf mit der Digitalisierung – immer hätten die Älteren das Nachsehen.

Atamans Rezept ist eine Änderung im Grundgesetz, der Gleichheitsartikel drei. Dort steht, dass niemand wegen des Geschlechts oder der Abstammung, wegen Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft, Glauben oder religiöser und politischer Anschauungen benachteiligt werden darf. Die Beauftragte meint, es fehle ein entscheidendes Wort: „Lebensalter“.

Der Befund ist nicht falsch, es könnte sich etwas verändert haben im öffentlichen Umgang mit dem Alter. Den Jüngeren wird in der Schule erklärt, Ältere hätten den Planeten heruntergewirtschaftet. Wenn Ältere dazu etwas sagen, entgegnen Jüngere: „Ich kann es nicht mehr hören“. Junge beherrschen das Internet, das Internet beherrscht die Welt. Von Pflege-Missständen und der Einsamkeit der Alten reden wir besser nicht.

Ein verfassungsrechtliches Programm gegen Altersdiskriminierung würde weniger auf ein bestimmtes abwertendes Verhalten zielen, sondern eher auf den Lebensabschnitt als solchen.

Jost Müller-Neuhof

Andererseits ist es nicht das Alter als solches, dessentwegen Ältere diskriminiert werden. Fehlende Bildung, fehlendes Einkommen, fehlende Fürsorge und Vorsorge – es sind nicht nur Lebensjahre, die seelisch und sozial gebrechlich machen. Es ist die Summe der Benachteiligungen, die manche auf sich vereinen.

Artikel drei nennt Merkmale, an denen sich Diskriminierung typischerweise festmacht. Alter ist bisher keines davon. Altern heißt eben auch, ein Leben zu leben; Erfahrungen zu machen, reif zu sein. So alt zu sein, wie man sich fühlt.

Ein verfassungsrechtliches Programm gegen Altersdiskriminierung würde weniger auf ein bestimmtes abwertendes Verhalten zielen, sondern eher auf den Lebensabschnitt als solchen; dessen Entwertung würde mit einem derartigen Projekt wahrscheinlich noch vorangetrieben. Nächster Schritt: Ein neues Alten-Grundrecht, um das wieder aufzufangen. Eine Dialektik der Symbole.

Bundespräsident darf man erst im Alter von vierzig werden, sagt übrigens das Grundgesetz. Die Marke irgendwann auf fünfzig anzuheben, wäre auch ein Symbol, wie Jahre zählen. Ein positives, womöglich ein stärkeres.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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