Wildwechsel: Gepanzert wie ein Schuppentier

© MPI für Intelligente Systeme/MPI für Intelligente Systeme Wildwechsel: Gepanzert wie ein Schuppentier

Das eigentümliche Äußere der Schuppentiere inspirierte die Entwicklung eines kleinen Medizinroboters. Den lebenden Vorbildern könnte ihr Schuppenkleid zum Verhängnis werden.

Eine Kolumne von

Einmal habe ich ein Schuppentier gesehen. Guides hatten es im eigentlich für Schimpansen berühmten Gombe-Nationalpark in Tansania in einem Erdloch entdeckt: ein Riesenschuppentier der Art Smutsia gigantea, wie ich heute weiß.

Damals blickte ich erwartungsfroh hinein, denn es sei ein seltenes Glück, eines zu finden, sagten meine Begleiter. Aber ich hatte keine Ahnung, um was für ein Tier es sich handelte. Die englische und auch im Deutschen verwendete Bezeichnung „Pangolin“ hatte ich selbst als versierter Tierfilmgucker noch nie gehört. Was ich erblickte, half mir dann auch nicht wirklich weiter: einige perfekt ineinandergreifende bräunliche Schuppen, mehr nicht.

Bei Tag verstecken sich Riesenschuppentiere eigentlich. © imago/Nature Picture Library/imago stock&people

Pangoline sind die einzigen Säugetiere, die vollständig mit Schuppen bedeckt sind. Diese bestehen aus Keratin, so wie unsere Haare, Finger- und Fußnägel. Die Schuppen überlappen sich wie Dachziegel und sind an ihrer Basis mit der Haut verbunden. Die Tiere können sich bei Gefahr zusammenrollen, so wie es das Schuppentier in Tansania tat. Das malaiische Wort „pengguling“ für „zusammengerollt” hat ihnen den Namen „Pangolin“ eingetragen.

Gegen die größte Gefahr helfen die Schuppen jedoch wenig – im Gegenteil. Die acht Arten gelten als die am meisten gewilderten der Welt, alle Bestände sind rückläufig. In Afrika und Asien werden die Tiere für ihr Fleisch gejagt. Aber es sind die Schuppen, die in der traditionellen asiatischen Medizin verwendet werden, die die illegale Jagd so lukrativ machen, dass Schuppentiere in weiten Teilen ihrer früheren Verbreitungsgebiete bereits ausgerottet wurden. Die Schuppen werden geröstet, eingeäschert, in Öl, Butter, Essig oder Urin erhitzt oder mit Erde oder Austernschalen geröstet, um damit Leiden wie Nervosität, Malaria oder Taubheit zu behandeln. Evidenz für die Wirksamkeit fehlt.

Zollbeamte wie hier in Hongkong stellen riesige Mengen Schuppen sicher, aber wahrscheinlich nur einen Teil der geschmuggelten Mengen. © AFP/ANTHONY WALLACE

Medizinisch deutlich vielversprechender ist der Ansatz eines Teams vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart. Die Forschenden um Metin Sitti haben nach dem Vorbild der Schuppentiere einen flexiblen Mini-Roboter entwickelt, der aus weichen und harten Komponenten besteht, sich ein- und ausrollen kann und – anders als echte Schuppentiere – auf Knopfdruck Wärme absondert.

Sie stellten den Pangolin-Roboter kürzlich im Fachjournal „Nature Communications“ vor. Über ein Magnetfeld gesteuert, könnte er sich im lebenden Patienten fortbewegen, ohne umliegendes Gewebe zu verletzen. Zusammengerollt kann er Medikamente aufnehmen und gezielt abliefern. „Die Vision ist, dass solch eine kleine Maschine eines Tages zum Beispiel durch unser Verdauungssystem wandert“, heißt es in einer Mitteilung zur Studie.

Ob die Forschenden diese Vision auch gehabt hätten, wenn das lebende Vorbild schon lange ausgerottet gewesen wäre und nur noch getrocknete Schuppen von ihm zeugten?

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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