© Adobe Stock/Vaobullan Wenn Arbeit süchtig macht: Überstunden sollten verpönt sein wie Heroinkonsum
Eine neue Studie zeigt: Millionen Menschen arbeiten hierzulande krankhaft viel. Arbeit ist eine Volksdroge. Dann sollte man sie auch so behandeln!
Erst die Arbeit, dann das Ermüden. Laut einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung arbeiten zehn Prozent aller Erwerbstätigen hierzulande krankhaft viel. Das sind 4,5 Millionen Menschen. Neunmal mehr, als es Glücksspielsüchtige gibt. Dreimal mehr als Alkoholkranke.
Das bedeutet: Arbeit ist längst Volksdroge und sollte auch so behandelt werden.
Hannes Soltau hat diesen Kommentar in der regulären Arbeitszeit geschrieben. Er mag seinen Beruf, aber möchte nie wieder eine psychosomatische Klinik von innen sehen.
Immer wieder betonen Politiker, dass Suchtmittel erhebliche gesundheitliche, soziale und volkswirtschaftliche Probleme erzeugen. Arbeitssucht ist zwar stoffungebunden, weist aber Parallelen zu klassischen Abhängigkeiten auf. Wie Drogensüchtige kennen Erkrankte keinen anderen Lebensinhalt mehr. Das Selbstwertgefühl ist an die Arbeit gekoppelt. Die tägliche „Dosis“ wird immer weiter erhöht. Betroffene isolieren sich sozial.
Arbeitssüchtige geben doppelt so häufig wie der Durchschnittsarbeitnehmer an, dass ihr Gesundheitszustand „weniger gut“ oder „schlecht“ sei. Deutlich öfter als andere haben sie körperliche oder psychosomatische Probleme: Depressionen und Angstzustände, Rückenschmerzen und Verdauungsprobleme. 30 Prozent der Süchtigen sagen, sie hätten mehr als sechs unbehandelte gesundheitliche Beschwerden.
745.000Todesfälle durch Überarbeitung gibt es nach WHO-Schätzungen pro Jahr.
Überstunden sollten also mindestens so verpönt sein wie Heroinkonsum. Denn die Folgen sind noch tödlicher: Schlaganfälle, Herzinfarkte, Suizide. Die WHO schätzt die weltweite Anzahl der Todesfälle durch Überarbeitung auf 745.000 im Jahr. Damit liegt sie weit über der Zahl der Drogentoten.
Tabak und Alkohol sind ein gesellschaftliches Schmiermittel. Doch Arbeit ist noch wichtiger. Leistungsprinzip und Erfolge im Job gelten als Voraussetzung für soziale Anerkennung. Und da Arbeitssucht vor allem in Führungsetagen anzutreffen ist, wird sie tagtäglich von oben vorgelebt. Untergebene sind ihr oft genauso schutzlos ausgeliefert wie früher dem Passivrauchen. Das muss aufhören.
Arbeitszeiterfassung und Betriebsvereinbarungen können das Leid lindern. Längst gibt es auch hierzulande Selbsthilfegruppen der „Anonymen Arbeitssüchtigen“. Es braucht Prävention und klarere rechtliche Grenzen. Doch all das nützt nichts, wenn wir nicht dem tief in unserer Gesellschaft verankerten Arbeitsfetisch entgegentreten. Eine Aufklärungskampagne wäre doch ein guter Anfang: Keine Macht der Arbeit!
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de