Umverteilung von Dünger: Wie man das Stickstoff-Problem lösen und die Welternährung sichern könnte

© imago images/Jochen Tack/Jochen Tack via www.imago-images.de Umverteilung von Dünger: Wie man das Stickstoff-Problem lösen und die Welternährung sichern könnte

Wer zum Düngersparen angehalten wird, fürchtet um die optimalen Ernteerträge. Doch global könnte die Stickstoffbelastung durch Düngung ohne Ernteeinbußen verringert werden.

Von Stefan Parsch, dpa

Der weltweite Verbrauch von Stickstoff-Kunstdünger könnte sich einer Analyse zufolge ohne Ertragseinbußen um etwa ein Drittel reduzieren lassen. Voraussetzung sei eine bessere globale Verteilung, erläutert eine Gruppe um Andrew Smerald vom Karlsruher Institut für Technologie im Fachmagazin „Communications Earth & Environment“.

Eine Milderung der Umweltfolgen durch die Überdüngung von Ackerflächen wäre demnach vor allem in Nordamerika, Europa und Ostasien möglich. Im Gegenzug könnten afrikanische Länder südlich der Sahara bei höherem Düngemitteleinsatz weitgehend zu Selbstversorgern werden. Dies sind Ergebnisse von Simulationen mit einem umfangreichen Computermodell.

Praxistaugliches Modell

Stickstoff-Kunstdünger erhöht Ernteerträge und liefert damit einen wichtigen Beitrag dazu, die Weltbevölkerung von derzeit mehr als acht Milliarden Menschen zu ernähren. Doch besonders in Industrieländern und China wird in der Landwirtschaft großflächig deutlich mehr Stickstoff in den Boden gebracht als die Nutzpflanzen aufnehmen können. In der Folge entstehen reaktionsfreudige und umweltschädliche Stickstoffverbindungen.

„Die daraus resultierende Anreicherung von reaktivem Stickstoff in der Atmosphäre, der Biosphäre und der Hydrosphäre treibt den Klimawandel, den Ozonabbau, den Verlust der biologischen Vielfalt und die Eutrophierung voran“, schreiben die Studienautoren. Als Eutrophierung wird der übermäßige Nährstoffeintrag in Gewässer bezeichnet, der die Lebensräume grundlegend verändern und zu Algenblüten führen kann.

Vor allem die afrikanische Landwirtschaft hat Aufholbedarf bezüglich der Erträge. © imago/blickwinkel/imago stock&people

Smerald und Kollegen nutzten ein etabliertes und verbessertes biogeochemisches Modell, das die Stickstoffkreisläufe im Boden, in Gewässern und in der Luft in den Weltregionen nachbildet. Anhand zahlreicher Messungen in verschiedenen Landnutzungen etwa als Ackerland, Grasland oder Wald und in verschiedenen Klimaten wie gemäßigt oder tropisch wurde die Praxistauglichkeit des Modells nachgewiesen. Mit diesem Modell simulierten die Forscher nun verschiedene Szenarien, beginnend mit den Ausgangsbedingungen etwa im Jahr 2015. Dieses Szenario verwendeten die Wissenschaftler als Basis, auf die sich Angaben zu Änderungen beziehen.

Verbesserte Klimabilanz

Sie simulierten dann für den Zeitraum 2015 bis 2030 ein Szenario mit geringem Eintrag von Stickstoff in die Umwelt bei etwa gleichbleibenden globalen Ernteerträgen bei Weizen, Mais und Reis. Dabei konnten 32 Prozent des heutigen Kunstdüngerverbrauchs eingespart werden. Zugleich sank die Auswaschung von Nitraten um 57 Prozent und der Ausstoß des Treibhausgases Lachgas um 29 Prozent. Das Treibhauspotenzial von Lachgas (N₂O) ist auf 100 Jahre bezogen 273 mal höher als das von Kohlendioxid (CO₂). Entscheidend für das Szenario ist, dass die Industrieländer und China weniger Kunstdünger einsetzen und andere Regionen mehr, vor allem in Afrika südlich der Sahara.

Da die Weltbevölkerung nach Prognosen bis 2030 weiter ansteigen wird, simulierte das Team um Smerald auch ein Szenario, bei dem die Ernteerträge um 15 Prozent gesteigert werden. Bei einer sinnvollen Verteilung des Kunstdüngereinsatzes wurden etwa zwei Prozent mehr Düngemittel verbraucht, doch die Nitratauswaschung sank immer noch um 46 Prozent, der Lachgasausstoß um fünf Prozent. Wenn sich bei diesem Szenario in keinem Teil der Welt die Erträge verringern, dann ist sogar eine Ertragssteigerung um 18 Prozent drin. Allerdings erhöhen sich dann der Düngemitteleinsatz um 13 Prozent und der Lachgasausstoß um vier Prozent.

Bislang begrenzter Erfolg

In einigen Regionen, etwa Ostasien (vor allem China) und Nordamerika (vor allem USA), könnten die Szenarien zu leichten Ernteeinbußen führen. Deshalb schreiben die Studienautoren: «Eine Reduzierung der Erträge in derzeit ertragsstarken Gebieten kann politisch schwierig sein.» Als Vorteile einer gleichmäßigeren Verteilung von Stickstoffdünger auf den weltweiten Ackerflächen führen die Forscher auf:

  • Die Abhängigkeit von Kornkammern würde verringert, sodass Missernten in einer Region weniger ins Gewicht fallen.
  • Regionen wie Afrika südlich der Sahara könnten sich in Richtung Selbstversorgung bewegen.
  • Die Stickstoffverschmutzung in Ostasien und anderen stark gedüngten Regionen würde reduziert.

Die nicht an der Studie beteiligte Agrarexpertin Regina Birner von der Universität Hohenheim gibt zu bedenken, dass schon lange politisch versucht werde, in Regionen mit zu hohem Stickstoffeinsatz die Menge zu reduzieren und auch, sie in Regionen wie Subsahara-Afrika zu erhöhen.

„Ich denke, es ist gut zu wissen, dass man das gleiche Ertragsniveau mit einem um ein Drittel reduzierten Düngeraufwand global aufrechterhalten könnte“, sagte die Leiterin des Lehrstuhls Sozialer und institutioneller Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung. Alle entsprechenden Anstrengungen seien aufgrund ökonomischer und politischer Faktoren bislang aber nur sehr begrenzt erfolgreich gewesen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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