© imago/Ikon Images Studie zur Meinungskultur: Viele Konflikte, aber keine Spaltung der Gesellschaft
Deutschland ist konsensfähiger als gedacht. Das ergab eine sozialwissenschaftliche Studie der Freien Universität. Die Forscherinnen warnen vielmehr vor den Folgen des Spaltungsbegriffs.
Von Clara Dünkler
In Talkshows ist es ein beliebtes Format: Pro und Kontra. Zwei Menschen aus unterschiedlichen politischen Lagern mit gegensätzlichen Meinungen oder Weltanschauungen diskutieren über ein Thema. Selten werden sie sich einig, Konsensfähigkeit scheint manchen sogar als Schwäche zu gelten. Spiegelt sich diese extreme Polarisierung auch in der Bevölkerung wider?
Nein, sagen Wissenschaftlerinnen der Freien Universität (FU), die die Meinungslandschaft in Deutschland zum Thema Globalisierung untersucht haben. Deutschland sei viel konsensfähiger, als oft vermittelt werde, heißt es in dem Bericht.
Für ihre Studie analysierten die Makrosoziologin Céline Teney von der FU Berlin und die Ökonomin Li Kathrin Rupieper von der Leibniz Universität Hannover Daten des Politbarometers von 1989 bis 2019. Das Politbarometer ist eine monatliche Umfrage zur politischen Meinung der Deutschen, die von der Forschungsgruppe Wahlen durchgeführt wird und unter anderem die Sonntagsfrage des ZDF beinhaltet.
30 Jahre beträgt der Zeitraum, in dem die Daten für die Studie erfasst wurden.
Von den 40 Fragen des Politbarometers interessierte die Wissenschaftlerinnen nur eine: „Was ist das größte und zweitgrößte Problem in Deutschland?“ So identifizierten die Forscherinnen Aspekte, die die Bevölkerung in den vergangenen 30 Jahren als aktuelle Herausforderung in Deutschland wahrgenommen hat.
Stichworte waren Zuwanderung, Klimawandel, Europäische Union und Wirtschaftsliberalismus. Ergänzend werteten Teney und Rupieper den Datensatz der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) aus, um die jeweiligen Meinungen zu den Themenblöcken zu ermitteln.
Nur wenig Kontroversen
Lediglich bei den Themen Zuwanderung seit 2015 und Klima seit 2017 seien Schwankungen erkennbar. Teney erläutert die Klimadebatte näher: Die Deutschen seien sich einig, dass sie die Umwelt schützen wollen und die Klimakrise stoppen müssen. Lediglich über die Art der Lösung werde diskutiert – und das durchaus kontrovers. .
Trotzdem: Meinungen gehen weniger stark auseinander als vermutet und von einer gesellschaftlichen Spaltung könne nach Analyse der Empirie keine Rede sein, sagen die Wissenschaftlerinnen.
Eine These, die auch andere Soziolog:innen unterstützen, allen voran der Soziologe Steffen Mau. Kürzlich erläuterte er im Gespräch mit dem Tagesspiegel: Die ständige Diskussion über Polarisierung trage selbst dazu bei, dass ein Bild der geteilten Gesellschaft in den Köpfen entstehe, obwohl es nicht der Realität entspreche.
Auch die beiden Wissenschaftlerinnen haben einen Appell an die Medien: Wörter wie Kluft und Spaltung sollten durch eine neutralere Bezeichnung wie „Konflikt“ ersetzt werden. Sonst entstehe ein falscher Eindruck in der Bevölkerung, warnen Teney und Rupieper.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de