Sprecher der Berliner Profiklubs: „Der Sport kann zeigen, dass rechte Thesen falsch sind“

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Sport und Politik sollte man trennen? Im Gegenteil, sagt Kaweh Niroomand. Hier spricht er über die neue Frauen-Kooperation der BR Volleys, Gleichberechtigung im Profibereich und den Umgang mit der AfD.

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Herr Niroomand, kürzlich haben Sie verkündet, dass Beachvolleyballerin Louisa Lippmann die Botschafterin der BR Volleys wird. Schauen Sie neben Hallenvolleyball jetzt auch mehr Beachvolleyball?
Sobald das Wetter wieder dazu einlädt, werde ich das tun. Ich freue mich schon auf die Qualifikationsspiele für die Olympischen Spiele und hoffentlich auch die Teilnahme. Gegenwärtig haben wir den Kopf voll mit dem engen Terminkalender der Mannschaft und der Vorbereitung der nächsten Saison. Die neue Strategie, die wir als Klub ausgearbeitet haben, nimmt viel Zeit ein…

Teil dieser Strategie ist die Zusammenarbeit mit Louisa Lippmann. Was steckt dahinter?
Wir haben uns in den vergangenen zehn Monaten die Frage gestellt, wie wir uns als BR Volleys neu aufstellen können. Sportlich haben wir viel erreicht: Wir haben zahlreiche Meisterschaften und Pokale gewonnen und die Nachwuchsarbeit ausgebaut. Aber das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass viele den Erfolg als selbstverständlich ansehen.

Aus diesem Grund wollen wir den Wert des Klubs nicht nur aus sportlicher Sicht darstellen, sondern auch durch gesellschaftliche Themen. Wir sind zwar ein Sportverein, insofern steht der Sport immer im Fokus, aber zugleich befinden wir uns in einer Gesellschaft, die sich stetig verändert und diese Veränderungen können wir nicht ignorieren.

Louisa Lippmann ist mittlerweile Beachvolleyballerin und Botschafterin der Volleys.

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Auf welche Veränderungen beziehen Sie sich konkret?
Es wird häufig gefordert, Sport und Politik voneinander zu trennen. Das ist falsch. Man muss Parteipolitik und Sport trennen. Aber der Sport ist äußerst politisch, weil er zutiefst in gesellschaftlich wichtige Themen wie Integration, Inklusion, Toleranz und Gleichberechtigung greift.

Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen am politischen Rand nach einfachen Lösungen für komplexe Fragen suchen, ist es enorm wichtig, dass der Sport mit Themen aufwartet, die auch die Gesellschaft betreffen. In dem Kontext sind Nachhaltigkeit und Gleichberechtigung von Frauen und Männern zentrale Themen.

Wenn Sie vom politischen Rand sprechen, meinen Sie sicherlich die wachsenden Umfragewerte für die AfD…
Ja. Ich bin ein absoluter Gegner von Verbotsgedanken. Solange wir keine überzeugenden Antworten auf die Fragen finden, die Menschen umtreiben, die sich zum Rand bewegen, werden wir den Aufstieg der AfD nicht aufhalten können.

Das sind nicht alles Nazis oder Rechtsextreme. Das sind oftmals Menschen, die in ihrem alltäglichen Leben Sorgen haben, weil sie zum Beispiel finanzielle Probleme haben. Der Sport kann eine wichtige Wirkung haben. Er kann Maßnahmen treffen, die das Umgekehrte erlebbar machen…

Wie meinen Sie das?
Der Sport kann mit konkreten Maßnahmen zeigen, dass rechte Thesen über Themen wie Migration oder Gleichberechtigung falsch sind. Aktuell fällt im Zusammenhang mit der AfD häufig der Begriff „Remigration“. Der Sport ist tägliche Migration. Gerade in Profivereinen kommen Menschen unterschiedlicher Nationen zusammen. Daran sieht man, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft gut nebeneinander leben können, wenn Vorrausetzungen und Umgebungen stimmen.

Viele machen sich außerdem über das Thema Gendern lustig. Dabei ist der eigentliche Gedanke dahinter die Gleichberechtigung der Frauen. Wenn wir dafür sorgen, dass der Frauensport genau so ein Ansehen hat wie der Männersport, tragen wir zu Diversität bei.

Im Rahmen der neuen Strategie wollen die BR Volleys das Thema Gleichberechtigung vorantreiben. Welche Maßnahmen sind geplant?
Wir wollen den Frauenvolleyball in Berlin attraktiver und sichtbarer machen. Bevor der Frauenfußball durch die EM einen großen Hype erfahren hat, war Volleyball die Sportart Nummer eins bei den Frauen in Bezug auf Zuschauerzahlen, Budget und Fernsehzeiten.

Daran wollen wir anknüpfen und uns dabei ein Beispiel nehmen an erfolgreichen Berliner Frauenteams wie Alba oder den Spreefüxxen. Denn man muss ehrlich sagen: Wir sind die letzten der Berliner Profivereine, die dieses Thema offensiv angehen. In diesem Rahmen starten wir nun eine enge Partnerschaft mit dem Berlin-Brandenburger-Sportclub…

…ein Verein, der in Köpenick angesiedelt ist und bei dem ausschließlich Mädchen und Frauen spielen. Die erste Mannschaft spielt sogar in der Zweiten Liga…
Genau. Der BBSC wird seine Eigenständigkeit behalten. Es ist kein Vereinswechsel geplant. Aber wir werden dem Verein bei der Öffentlichkeitsarbeit, dem Marketing und Sponsoring helfen. Unser vorläufiges Ziel ist es, Hauptamtlichkeit einzuführen, denn bislang wird der Verein komplett ehrenamtlich geführt. Außerdem wollen wir Werbung für den Verein machen, damit die Zuschauerzahlen steigen.

Das Frauenteam des BBSC wird ab der kommenden Saison mit den Volleys kooperieren.

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Im vergangenen Jahr hat der BBSC mit dem Gedanken gespielt, in die Zweite Liga Pro aufzusteigen, eine Art Zwischenstufe vor der Bundesliga…
Ja, es wäre umso besser, wenn das klappt. Aber in erster Linie geht es darum, die Hauptamtlichkeit einzuführen und zur Sichtbarkeit beizutragen. Damit wir einen Beitrag zur Gleichberechtigung leisten können.

Wäre es nicht sinnvoller, direkt ein eigenes Frauenteam zu gründen?
Das wäre aus zwei Gründen sehr schwierig. Zum einen bräuchte man eine kleine siebenstellige Summe, um ein Frauenteam zu gründen, das auch oben in der Bundesliga mitspielen kann. Dazu sind wir aktuell nicht in der Lage. Wir wollen kein Team, das jedes Jahr um die Finanzierung kämpfen muss.

Zum anderen fehlt uns das Knowhow in diesem Bereich. Man müsste sich mit dem Markt und den Spielerinnen gut auskennen. Das Ganze wäre noch eine Nummer zu groß für uns.

Auch die Berliner Fußball-Vereine 1. FC Union und Hertha BSC setzen sich mit dem Thema Frauensport auseinander. Union hat als erster Verein das Regionalliga-Team professionalisiert. Hertha hat das Frauenteam von Hertha 03 Zehlendorf übernommen. Wie wird die Strategie der Volleys von den Spielerinnen angenommen?
Anfangs waren sie skeptisch, was wir vorhaben. Aber nachdem klar war, dass – abgesehen von der Sichtbarmachung des Frauenvolleyballs – kein eigenes Interesse dahintersteckt, ist unser Verhältnis sehr gut.

Dem BBSC war wichtig, dass er seine Unabhängigkeit behält. Die Zusammenarbeit muss jetzt wachsen. Ich könnte mir langfristig auch einen Doppelspieltag in der Max-Schmeling-Halle vorstellen.

Bei den Volleys sind Frauen zwar im Management vertreten und es gibt zwei Physiotherapeutinnen, aber Frauen sind weiterhin unterrepräsentiert…
Ja, sie alle machen einen großartigen Job und sind unglaublich ambitioniert. Auch die Jugendabteilung wird neben unserem Headcoach von zwei jungen Frauen geschmissen. Ich würde mir natürlich wünschen, dass Frauen in weiteren zentralen Funktionen vertreten sind.

Wird Ihre Nachfolge womöglich auch eine Frau sein?
Na klar, warum nicht? Ich habe in meinem Leben immer viel und gerne mit Frauen gearbeitet, die in leitenden Positionen waren.

Sie sind Sprecher der Berliner Profiklubs. Wo steht der Berliner Sport beim Thema Frauen?
Der Frauensport hat in Berlin einen guten Schritt nach vorne gemacht. Wir haben Aushängeschilder wie die Tischtennisspielerinnen des TTC Eastside oder die Hockeyspielerinnen der Zehlendorfer Wespen beziehungsweise des BHC.

Besondere Freude macht es mir, Albas Basketballerinnen zuzuschauen. Sie zeigen: Wenn der Verein den Frauen seine Möglichkeiten zur Verfügung stellt, können sie sehr erfolgreich sein. Auch der Frauenfußball hat dank Union und Hertha eine größere Sichtbarkeit erlangt.

Mit gutem Beispiel voran: Albas Basketballerinnen starten in der Bundesliga durch.

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Neben dem Thema Gleichberechtigung wollen die BR Volleys das Thema Nachhaltigkeit angehen. Wo sehen Sie aktuell die größten Lücken?
Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2040 die Co2-Neutralität zu erreichen. Damit das gelingt, muss der Sport einen Beitrag leisten. Denn gerade sportliche Großveranstaltungen können ein großer Verursacher von klimaschädlichen Stoffen sein. Bei den BR Volleys haben wir eine Gruppe gegründet, die eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt hat. Es darf nicht der Eindruck von Greenwashing entstehen, daher wollen wir die Schritte gut überlegt und behutsam umsetzen.

Wie sieht diese Strategie aus?
Wir wollen den Co2-Abdruck der Mannschaft messen lassen und anschließend Maßnahmen einleiten, um Co2-Neutralität zu erreichen. Mit unserem Titelsponsor werden wir am Samstagabend beim Heimspiel gegen die SVG Lüneburg einen Zero-Waste-Spieltag veranstalten und zeigen, wie ein Sportevent mithilfe von Kreislaufwirtschaft nachhaltiger funktionieren kann.

Vor der Halle werden wir einen großen Ballen Klatschpappen platzieren und den Recycling-Prozess visualisieren. Es gibt eine Pfandbecheraktion sowie Info- und Mitmachstände zum Thema Upcycling für die Fans. Der Volleyball-Tempel wird in eine Art Reallabor für innovative Trends der Kreislaufwirtschaft umgewandelt.

Klatschpappen sind für viele Volleyball-Fans ein Muss.

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Für viele Fans gehören Klatschpappen unbedingt zum Volleyball, sind aber nicht unbedingt nachhaltig. Stoßen Veränderungen auch auf Widerstände?
Klatschpappen sind ein riesiges Thema, was die Papierverwertung angeht. Wir haben einen Spieltag ohne Klatschpappen gemacht und gemerkt, dass sich die Stimmung dadurch leider sehr verändert.

Eine Umfrage am ersten Spieltag hat gezeigt, dass große Teile der Zuschauer jung und weiblich sind und überdies mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Spielen kommen. Die meisten sind sicherlich offen für Fortschritt und Veränderungen. Aber man muss auch diejenigen mitnehmen, die anfangs skeptisch sind. Wir dürfen niemanden überrumpeln. Daher sollte die Einführung der Maßnahmen sukzessive vor sich gehen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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