© ZB / Ralf Hirschberger Mit sechs im Hörsaal: Kinderunis und ihre Grenzen
Kinderunis gibt es viele, auch in Berlin. Doch wie langfristig wirken solche Vorlesungen? Und: Kommen auch Kinder aus eher bildungsfernen Elternhäusern?
Von Nina Schmedding, KNA
Paula und Maxi hören aufmerksam zu. Die beiden Mädchen sitzen im Hörsaal des Virchow-Klinikums an der Berliner Charitè. An diesem Freitagnachmittag sind sie – sechs und acht Jahre alt – Medizin-Studentinnen. Unten vor den Sitzreihen steht Oberärztin Julia Thumfart. Sie fragt: „Was wisst ihr über Nieren?“
Ein etwa zehnjähriges Mädchen sagt: „Irgendjemand hat mal seiner Frau eine Niere gegeben, weil die nicht mehr funktioniert hat.“ Thumfart nickt: „Das war der Bundespräsident“. Dann erklärt sie den rund 80 Kindern im Grundschulalter, wie die Nieren aufgebaut und wofür sie da sind – und was passiert, wenn sie mal nicht funktionieren.
Bundesweit gibt es an rund 50 Universitäten und Fachhochschulen solche Kinderunis – wissenschaftliche Veranstaltungen für Kinder. In Berlin bietet in diesem Semester etwa die Charité noch eine weitere Vorlesung an.
In Deutschland wurde die erste Kinderuni im Jahr 2002 an der Uni Tübingen gegründet. Anders in Großbritannien, wo es die ersten bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gab, wie die Bildungsforscherin Susanne Kretschmer berichtet. Sie hat zum Thema Kinderuni promoviert.
Es mache einen Unterschied, ob die Kinder aus bildungsnahen oder bildungsfernen Elternhäusern kommen. „Die Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern waren zum Beispiel erst einmal stark mit dem Setting ‘Universität’ beschäftigt, etwa mit den Aufbauten im Hörsaal. Es dauerte auch, bis sie in die Rhetorik reinfanden“, sagt Kretschmer. Kinder, die bereits zu Hause viele Sachbücher lasen und sich Naturdokumentationen im Fernsehen ansahen, konnten dagegen gleich inhaltlich einsteigen.
Kinder sind durchaus kritisch
Damit diverse Kinder kommen, hat die Charité das aktuelle Vorlesungsverzeichnis an Schulen versandt. „Dadurch versuchen wir auch die Kinder zu erreichen, die ohne die Initiative einer Lehrkraft kaum die Gelegenheit haben würden, die Kinderuni zu besuchen“, sagt Doris Equitz, eine der Organisatorinnen. Der Charité gehe es darum, kindgerechtes Wissen zum Thema Gesundheit und Körper zu vermitteln. „Außerdem sollen die Vorlesungen dabei helfen, Kindern die Angst vor dem Krankenhaus zu nehmen.“
Kretschmer sagt, die Begegnung mit Wissenschaft in jungen Jahren führe dazu, dass „man das als normales Kindheitserlebnis abspeichert und die Uni als natürliche Umgebung empfindet“. Kinder seien ein kritisches Publikum: „Sie lassen sich nicht alles servieren.“
„Ich fand am tollsten, dass das Pipi auch mal ne andere Farbe haben kann. Das ist pink, wenn man Rote Beete gegessen hat“, erklärt Paula am Ende der Nieren-Vorlesung. Maxi sagt: „Ich fand es ein bisschen so wie in der Schule, aber auch wieder anders. In der Schule sprechen wir über sowas nicht.“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de