© Getty Images/Jason Hosking Länger und intensiver: Hitzewellen gefährden Artenvielfalt der Ozeane
Mit dem Klimawandel werden Hitzewellen in den Weltmeeren stärker und häufiger. Bislang wurden ihre Ausmaße und Auswirkungen oberflächennah gemessen. Eine neue Studie lässt tiefer blicken.
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Die biologische Vielfalt der Meere ist langanhaltenden und intensiven Hitzewellen unter der Wasseroberfläche ausgesetzt. Hitzewellen im Meer können nach einer neuen im Fachjournal „Nature Climate Change“ veröffentlichten Studie im tieferen Wasser länger dauern und stärker ausfallen. Erwärmungen tieferer Schichten könnten noch zwei Jahre lang anhalten, nachdem die Hitzewellen an der Oberfläche abgeklungen sind, berichtete ein Forschungsteam.
Für die biologische Vielfalt unter der Wasseroberfläche besteht ein hohes Risiko, weil sie auf Dauer zu großer Wärme ausgesetzt ist. Das Team weist darauf hin, dass die Häufigkeit von Hitzewellen im Zuge des Klimawandels voraussichtlich zunehmen wird und weitere Forschungen erforderlich sind, um zu untersuchen, wie sie sich auf die Ökosysteme unter der Meeresoberfläche auswirken werden.
Intensität nimmt ab, die Dauer zu
Marine Hitzewellen sind Phasen im Vergleich zum langjährigen Mittel ungewöhnlich hoher Wassertemperaturen. Die Temperaturen sind dann an fünf Tagen nacheinander höher als bei 90 Prozent der Messwerte des 30-jährigen Vergleichszeitraums. Diese Phasen können Wochen bis Monate andauern und mehrere Millionen Quadratkilometer Ozean betreffen.
22Prozent des Ozeans sind von wiederholten Hitzewellen betroffen, deren Effekte sich addieren. Dort kommen auch Arten vor, die empfindlich auf erwärmtes Wasser reagieren.
Hitzewellen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit mit fortschreitendem Klimawandel häufiger und intensiver. Zwischen 1982 und 2016 hat sich die Anzahl der Hitzewellentage bereits verdoppelt. Sie können massive negative Auswirkungen auf die Ökosysteme in den betroffenen Regionen haben – vom Massensterben in Bodennähe lebender Organismen über Korallenbleichen, veränderte Planktonblüten, toxische Algenblüten bis hin zum Rückgang der Fischmengen.
Die Forschenden um Eliza Fragkopoulou von der Universität der Algarve in Faro, Portugal, haben anhand verfügbarer Daten Dauer und Intensität mariner Hitzewellen in Tiefen bis zu 2000 Metern abgeschätzt, die zwischen 1993 und 2019 auftraten. Sie stellten fest, dass die höchste Intensität der Hitzewellen nicht an der Oberfläche, sondern darunter, in zwischen 50 und 250 Metern Tiefe zu verzeichnen war. In noch größeren Tiefen lässt die Intensität der Ereignisse nach, aber ihre Dauer nimmt im Vergleich zur Oberfläche um das Zweifache zu.
Wichtige Fischereigebiete betroffen
„Die Autor:innen der Studie liefern die erste globale hochauflösende Karte der Verbreitung, Intensität, Dauer und der Bedrohung der biologischen Vielfalt durch tiefe marine Hitzewellen“, sagte Sonia Bejarano vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen dem Science Media Center Deutschland. Das Team zeige, wie regionale Unterschiede in der Ozeanographie die Intensität und Dauer von marinen Hitzewellen bestimmen und wie weit sie in die Tiefe reichen. „All dies sind völlig neue Informationen“, sagt Bejarano.
Wir wissen jetzt, dass Hitzewellen tiefer reichen, als wir dachten, und Gebiete betreffen, in denen enorme Anteile der marinen Artenvielfalt leben.
Sonia Bejarano, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung, Bremen
„Die Kernaussagen sind genau so zu erwarten“, sagt jedoch Martin Visbeck, Ozeanograph am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR). Die größten Temperatursignale gäbe es in den oberflächennahen Schichten und die Dauer der marinen Hitzewellen im tieferen Ozean sei größer, da sich dieser nur langsam mit der Oberfläche austauscht.
Die Studie helfe jedoch auch zu verstehen, wie der Klimawandel die globale Meeresbiodiversität in Zukunft umgestalten wird, sagt Bejarano. Man könnte regional koordinierte Reaktionen und Strategien zur Bewältigung vorbereiten. „Wir wissen jetzt, dass Hitzewellen tiefer reichen, als wir dachten, und Gebiete betreffen, in denen enorme Anteile der marinen Artenvielfalt leben und die für die weltweite Fischerei sehr wichtig sind“, so die Biologin.
Eine harte Verbreitungsgrenze
Das Forschungsteam glich die Daten vom Auftreten der Hitzewellen mit den mithilfe eines Modells ermittelten Verbreitungsgebieten von rund 25.000 Arten von Meereslebewesen ab. Es folgert, dass die biologische Vielfalt unter der Wasseroberfläche in den oberen 250 Metern am stärksten durch die Intensitäten und dem damit einhergehenden thermischen Stress gefährdet sein könnte.
Die Forschenden haben auch Hochrisikoregionen in verschiedenen Tiefen ausgewiesen, in denen sowohl hohe Hitzewellenintensitäten als auch gegenüber Wärmestress besonders empfindliche Arten auftreten. Darunter sind große Teile des Indischen Ozeans und des Nordatlantiks. Insgesamt machten diese Regionen 22 Prozent des Ozeans aus, schreiben die Autoren.
„Bei den biologischen Betrachtungen ist die Frage sehr wichtig, wie Hitze-angepasst diverse Organismen sind“, sagt Visbeck. Das sei regional sehr unterschiedlich. Etwa in den mittleren und hohen Breiten sind mehr Temperaturschwankungen zu erwarten, inklusive aber auch ohne marine Hitzewellen. „Und damit ist erstmal mehr Resilienz zu erwarten“, sagt Visbeck. In den Tropen, Subtropen und den Polarregionen könne das anders sein, vermutet er.
In der Studie würden nach seiner Einschätzung jedoch „recht simple“ statistische Methoden verwendet. „Ich wäre da vorsichtig, wie realistisch diese Ergebnisse sind“, sagt Visbeck. Grundsätzlich könne man jedoch annehmen, dass tiefer lebende Arten noch stärker temperaturangepasst sein könnten als oberflächennäher lebende Arten, denn normalerweise ändere sich in größerer Tiefe die Temperatur viel weniger als etwa oberhalb von 100 Metern Wassertiefe.
„Die Temperatur setzt eine der härtesten Grenzen für die globale Verbreitung von Arten“, sagt Bejarano. Demnach könnten wegen der Hitzewellen viele Arten Teile ihres möglichen Verbreitungsgebietes verlieren. Marine Hitzewellen seien vor allem dort bedrohlich, wo sie Hotspots mit nur dort heimischen Arten treffen, sagt Bejarano. „Dies sind Gebiete, in denen die Auswirkungen der marinen Hitzewellen und der Verlust von Arten mit hohen Kosten für die Natur, die biologische Vielfalt und das Funktionieren der Ökosysteme verbunden sind.“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de