© imago/United Archives International/imago stock&people Heute vor 120 Jahren: Wie ein Wettrennen eine Epoche prägte
Henry Ford hat das Auto zum Massenfortbewegungsmittel gemacht und dem 20. Jahrhundert seinen Stempel aufgedrückt. Politisch hatte er weniger Erfolg. Zum Glück.
Eine Kolumne von
Wenige Menschen schaffen es, dass man eine Epoche nach ihnen benennt, und wenn, dann haben sie ihr Leben in der Regel mit Politik verbracht. Henry Ford (1863-1947) war die Ausnahme. Ford baute Autos, so viele und auf so revolutionäre Weise, dass Historiker:innen heute noch vom Zeitalter des Fordismus sprechen: Jener Zeit, die Fließbandarbeit, die 5-Tage-Woche und das Auto als Massenfortbewegungsmittel mit sich brachte.
Doch wäre Henry Ford im Jahr 1901 nicht in einen selbstgebauten Rennwagen gestiegen, wäre in seinen Werkstätten vermutlich nie ein Auto vom Band gegangen.
Damals gilt er als talentierter, aber kommerziell erfolgloser Ingenieur. Erst Anfang des Jahres ist sein erstes Unternehmen gefloppt, die Detroit Automobile Company, die er wegen schwacher Verkaufszahlen auflösen musste. Dabei hat er für den Traum von der Selbstständigkeit sogar seinen gutbezahlten Job als Ingenieur bei Thomas Edison gekündigt, dem berühmten Erfinder und Geschäftsmann.
Henry Ford, aufgenommen im Jahr 1915. Ford war Ford Antisemit und verlegte eine Zeitung, die antisemitische Verschwörungstheorien verbreitete. © Bettmann Archive/Bettmann
Doch als ein Veranstalter im Herbst Detroits erstes Autorennen ausrichtet, ergreift Ford seine Chance: Er tritt mit einem selbstgebauten Wagen an – und gewinnt. In der sechsten Runde zieht Ford, der noch nie ein Rennen gefahren ist und Todesängste durchsteht, mit seinem überlegenen Wagen am Favoriten vorbei. „Junge, das mache ich nie wieder“, soll Ford später einem Zuschauer gesagt haben.
So rettete er seinen Ruf. Am 16. Juni 1903, heute vor 120 Jahren, gründete Ford mit dem gewonnenen Prestige schließlich die Firma, die ihn reich machen sollte: die Ford Motor Company. Die produzierte in den folgenden Jahrzehnten Millionen von Autos in rigoroser Fließbandarbeit. Mit hohen Löhnen und niedrigen Arbeitszeiten gewann sie außerdem fähige Angestellte und etablierte damit ein Geschäftsmodell, das weltweit Schule machte.
Wo Henry Ford über sein Unternehmen hinaus politisch wurde, hatte er zum Glück weniger Erfolg. Ford war glühender Antisemit, schrieb ein Buch mit dem Titel „Der Internationale Jude“ und verlegte eine Zeitung, die antisemitische Verschwörungstheorien verbreitete. Schließlich legte er sich aber mit dem Falschen an. Im Jahr 1925 verklagte ihn der jüdische Anwalt Aaron Sapiro wegen Verleumdung. Ford verlor, musste sich zähneknirschend entschuldigen – und seine Zeitung einstellen.
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- Tagesrückspiegel
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de