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Häufung von Lungeninfektionen ungeklärter Ursache in China: Erste Antworten auf die wichtigsten Fragen
Die Weltgesundheitsorganisation hat die chinesischen Behörden aufgefordert, Informationen über derzeitige Krankheitsausbruch besser zu kommunizieren. Was ist bisher bekannt?
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Die Weltgesundheitsorganisation weist auf eine Häufung von schweren Lungeninfektionen, vor allem bei Kindern, in Teilen Chinas hin. Sie rief die chinesische Bevölkerung auf, „Maßnahmen zur Verringerung des Risikos von Atemwegserkrankungen zu ergreifen“. Von den Behörden forderte die WHO weitere Informationen.
Wie ist die Situation in China, soweit bekannt?
Über Häufungen von schweren Lungeninfektionen im Norden Chinas berichten verschiedene Quellen seit Mitte Oktober. Unter den Betroffenen sollen viele Kinder sein. Demnach waren und sind Krankenhäuser in den betroffenen Gebieten teilweise überfüllt. Verschiedene Quellen, darunter die Nachrichtenagentur AP, berichten von überfüllten Krankenhäusern und Krankenhaus-Ambulanzen. Bei FTV News aus Taiwan ist von pädiatrischen Kliniken in Peking, Liaoning und anderen Orten im Norden die Rede, die „mit kranken Kindern überfüllt“ seien. Eltern fragten sich, ob die Behörden „eine Epidemie vertuschen“. Ob diese Angaben stimmen, ist aber bislang nicht verifizierbar
Wir brauchen mehr Informationen über Symptome, Epidemiologie und was getestet wurde.
Krutika Kuppalli, WHO
Welche Symptome zeigen Betroffene?
Erkrankte leiden, soweit bekannt, häufig unter Lungenentzündung. Auch von hohem Fieber ohne schwere Atemwegssymptome wird zum Teil berichtet. Die Nationale Gesundheitskommission Chinas hielt laut WHO am 13. November eine Pressekonferenz ab. Dort sei, offenbar erstmals offiziell, von einem Anstieg der Inzidenz von Atemwegserkrankungen in Teilen des Landes berichtet worden. Die Erkrankungen sind demnach teilweise so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen. Weitere Details wurden nicht bekanntgegeben.
Was weiß man über den oder die Erreger?
In China wird derzeit nach einem Peak im Sommer von sinkenden Covid-Zahlen berichtet, gleichzeitig von einer deutlichen Zunahme nachgewiesener Influenza-Fälle. Auch der bakterielle Erreger von Lungenentzündungen Mycoplasma pneumoniae trete verbreitet auf. RSV-Viren würden ebenfalls häufig nachgewiesen. Bei den Lungenentzündungen spielt allerdings möglicherweise auch ein bisher nicht identifizierter Erreger eine Rolle.
Gibt es Todesfälle?
Offiziell gibt es zu Todesfällen keine Zahlen. Auch schwere Lungenentzündungen, ausgelöst durch bekannte und bislang keine Pandemien oder ausgeprägte Epidemien auslösende Erreger, können aber in Einzelfällen und abhängig etwa von Vorerkrankungen tödlich verlaufen.
Welches sind die möglichen Ursachen für die berichtete Häufung von Erkrankungen?
Dass ein neuer Erreger, gegen den es in der Bevölkerung keine Immunität gibt, eine Rolle spielt, ähnlich wie bei Covid, kann nicht ausgeschlossen werden. Die chinesischen Behörden gehen offiziell allerdings vor allem von Nachholeffekten nach der Pandemie aus. Nach Monaten und Jahren von Infektionsschutzmaßnahmen sind demnach Menschen überdurchschnittlich anfällig, sich mit bekannten Erregern zu infizieren und zu erkranken.
Solche Effekte sind bekannt, auch aus Deutschland. In China könnten sie später auftreten als anderswo, weil dort auch Restriktionen später gelockert wurden. Auch vom Tagesspiegel kontaktierte Virologen, die sich aber noch nicht offiziell zum Thema äußern wollen, halten ein solches Szenario für plausibel. Über Effekte von Covid-Infektionen oder -Impfungen, die das Immunsystem an anderer Stelle zeitweise anfälliger machen könnten, wird ebenfalls zumindest diskutiert.
Wie agiert und reagiert die Weltgesundheitsorganisation?
Die WHO hat bei den chinesischen Behörden offiziell um mehr und detaillierte Informationen ersucht. Derzeit gibt es keine Angaben dazu, ob und wie Peking darauf reagiert hat. Die Bevölkerung rief die WHO zur Vorsicht, persönlichen Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen und besonderer Hygiene auf, sowie dazu, sich gegen bekannte Erreger impfen zu lassen. Die Medizinerin Krutika Kuppalli, die bei der WHO unter anderem im Bereich Pandemie-Vorbereitung arbeitet, schrieb auf der Social-Media-Plattform X: „Wir brauchen mehr Informationen über Symptome, Epidemiologie und was getestet wurde.“ Nach Informationen des Tagesspiegels findet am Wochenende bei der WHO ein Expertentreffen statt, bei dem es unter anderem um dieses Thema gehen wird.
Welche Parallelen und Unterschiede zur Corona-Pandemie gibt es?
Die Symptome ähneln denen von Covid-19, sind aber nicht identisch. Da entsprechende Tests zur Verfügung stehen und offenbar überwiegend negativ ausfielen, sind wahrscheinlich meist andere Erreger verantwortlich. Auch bei Covid wurde zunächst von einer Häufung von Lungenentzündungen unbekannter Ursache in der kalten Jahreszeit berichtet. Allerdings konzentrierten diese sich, anders als derzeit, lokal in der Stadt Wuhan. Zudem waren, anders als derzeit, anfangs vor allem ältere Menschen betroffen. Die chinesischen Behörden kommunizierten lange Zeit sehr eingeschränkt über die Situation. Fachleute, die warnten, wurden bestraft. Bekannt ist hier vor allem der Fall des Artzes Li Wenliang, der tragischerweise schon im Februar 2020 selbst der Erkrankung erlag. Auch hierin dürfte ein Grund liegen, dass die WHO China de facto jetzt nachdrücklich und öffentlich zu Kommunikation und Transparenz aufruft.
Wie reagiert die Fachwelt in Deutschland?
Der Tagesspiegel hat mehrere Institute und Infektiologie-Fachleute in Deutschland kontaktiert. Die Antwort lautete durchgehend, man wisse auch nicht mehr und wolle oder könne sich derzeit nicht äußern. Vom Robert-Koch-Institut etwa hieß es, man kommentiere grundsätzlich keine Medienberichte. Das RKI beobachte „generell die weltweite Situation bei Infektionsgeschehen kontinuierlich“ und werte die Bedeutung für Deutschland aus.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de