© Christian Kielmann
Ganz ohne Hürden ist der Weg in die saubere Wasserstoff-Zukunft nicht. Minister Steinbach ließ sich an der Technischen Uni Berlin zeigen, wie das Gas in ein paar Jahren Turbinen antreiben und Schmelzen befeuern könnte.
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Unweit der Unterschleuse im Berliner Tiergarten duckt sich das eingeschossige „Energielabor“ zwischen die Fünfzigerjahrebauten der Technischen Uni Berlin. Dort faucht und knallt es in den Versuchsräumen: Das Team um Christian Oliver Paschereit verbrennt hier gezielt Gase in experimentellen Aufbauten. Sein Ziel: Mehr Effizienz, höhere Energiedichten, weniger Emissionen.
Vor allem für die Verbrennung von Wasserstoff interessiert sich Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, der am Dienstag das Gespräch mit Paschereit und seinem Team sucht. Es bleibt nicht beim Händeschütteln, die Männer fallen sich in die Arme, klopfen sich auf die Schultern – es sind alte Kollegen.
„Ein seltsames Gefühl, aber ein Schönes, nach zehn Jahren wieder hier zu stehen“, sagt der Minister. Der Chemieingenieur studierte und promovierte an der TU, war später dort Professor für Anlagentechnik und ab 2010 der Präsident der Uni. 2014 weihte er noch das Energielabor ein und wechselte dann als Präsident an die Brandenburgisch-Technische Uni in Cottbus. Nachdem er 2018 Wirtschaftsminister wurde, holte er den Autobauer Tesla nach Grünheide.
Doch am Dienstag ist Steinbach in Berlin auf der Suche nach Anknüpfungspunkten für Unternehmen der Mark: „Vor kurzer Zeit war es noch nicht möglich, ohne zu stolpern von der Forschungsregion Berlin-Brandenburg zu reden“, inzwischen sei das anders. Zu seiner Zeit an der TU habe er Wasserstoff „ganz hoch auf den Schild gehoben“. Heute sei die Region führend in Deutschland und werde eine der ersten sein, die ihr Kernnetz von Erdgas auf Wasserstoff umrüsten werde, prophezeit er.
Warum noch Gase verbrennen?
In letzter Zeit ruhen besonders viele Hoffnungen auf dem Gas, das sich mittels Elektrizität durch Spaltung von Wassermolekülen herstellen und kohlenstofffrei verbrennen lässt. Es soll künftig Energie aus erneuerbaren Quellen speichern, durch bestehende Pipelines führen und etwa Gasturbinen zur Stromerzeugung antreiben.
Außerdem seien für die Herstellung von Zement, Keramik und Glas, aber auch die Chemieindustrie hohe Temperaturen nötig, erklärt der TU-Forscher Tom Tanneberger. Zwanzig Prozent des deutschen Energiebedarfs entfallen auf diese sogenannte Prozesswärme. Elektrisch lasse sich das nicht erzeugen: „Wir brauchen den Wasserstoff.“
Ganz ohne Hürden ist der Weg in die saubere Zukunft nicht: „Nachteile sind die Stickoxid-Emissionen und dass wir mit dem Wasserdampf eine Menge Energie zum Schornstein herauswerfen“, sagt der Forscher. Beide Probleme löst er durch ein System, das statt Luft reinen Sauerstoff zuführt und die heftige Verbrennung mit Wasserdampf kühlt: „Dadurch haben wir einen geschlossenen Ressourcenkreislauf.“
Das Konzept sei praxistauglich, sagt Tanneberger und reicht keramische Schnappverschlüsse von Bierflaschen herum – was sonst elf Stunden im Erdgasofen verbringe, sei an der TU CO₂-frei gebrannt worden. Steinbach stellt daraufhin den Bezug zur Brandenburgischen Glasproduktion her, die „im Prinzip über die CO₂-Zertifikate über kurz oder lang unwirtschaftlich“ sein werde.
Technik für Raketen und Turbinen
Paschereits Gruppe forscht außerdem an einer Technik, die einmal Raketen und Gasturbinen antreiben könnte: einer ringförmigen Brennkammer, also einem Spalt zwischen zwei Zylindern.
Darin läuft eine Detonation kontinuierlich im Kreis, was eine extrem hohe Leistungsdichte ermöglicht, dreißigmal mehr als gewöhnliche Brennkammern, wie der Ingenieur Eric Bach erklärt: „Das ist ein Weg, eine Bombe technisch nutzbar zu machen“, sagt er.
Das Problem ist derzeit noch die Kontrolle der Reaktion. Nur zwei Sekunden Betrieb sind derzeit möglich, während denen die Düse bereits zu glühen beginnt. Weltweit würden Gruppen an diesem Thema arbeiten, sagt Bach: „Wir sind europäische Kompetenzführer.“
Übrigens ist der Wasserstoff, der an der TU verfeuert wird, nicht CO₂-neutral: Er wird aus Erdgas hergestellt. Viel lieber würden die Berliner das Gas mit einer Elektrolyse-Anlage der Brandenburger Firma Enertrag selbst herstellen, das wäre auch günstiger. Steinbach erscheint da wie der ideale Vermittler zwischen den beiden Seiten.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de