„Der Erbonkel“: Die Größe, die aus den Genen kommt

© Lisa Rock für den Tagesspiegel „Der Erbonkel“: Die Größe, die aus den Genen kommt

Größe ist relativ. Man denke an die 2,50 Meter Schulterhöhe des „Zwerg“-Elefanten. Doch verzweifelt auf Wachstum wartende Teenager wüssten schon gern, was die eigenen Gene an Höhe noch zu bieten haben.

Alle, wirklich alle, waren größer. Während die meisten in meiner Klasse bereits mindestens die 1,60 Meter erreicht und ein paar sich sogar schon Richtung 1,90 auf den Weg machten, dümpelte ich noch immer in den 1,50ern herum. Beim Fußball ließ sich das noch mit Geschwindigkeit ausgleichen, beim Hand- oder gar Basketball stieg der Frust mit jedem Spiel.

Meinen Eltern entging das nicht. Und wohl in der Hoffnung, mich aufmuntern zu können, ließen sie meine Hand röntgen. Anhand der Wachstumsfugen der Knochen lässt sich erkennen, wie viel Wachstumspotential noch übrig ist und wo die „Endgröße“ des Heranwachsenden liegen dürfte.

Das Ergebnis teilten mir meine mitfühlenden Eltern, beide keine Riesen, lieber nicht mit.

Es sind vor allem, zu etwa 80 Prozent, die Gene, die über die Körpergröße bestimmen. Aber anders als bei der Augen- oder Haarfarbe, die nur von einigen Dutzend Genvarianten abhängt, wird das Längenwachstum von hunderten von Genen beeinflusst – darunter vor allem solche, die das Verknöchern von Knorpelzellen und damit das Skelettwachstum bestimmen. Das hat eine aktuelle Studie eines Forschungsteams der Harvard Universität in Cambridge und des Boston Children’s Hospitals ergeben.

Dabei „löschte“ das Team um Nora Renthal systematisch Gene in 600 Millionen Knorpelzellen der Maus und beobachtete dann, wie gut sie noch wachsen konnten. Sie fanden 145 Gene, ohne die Knochen nicht länger werden. Die menschlichen Varianten dieser Gene liegen in Erbgutregionen, die in anderen Studien als verantwortlich für die Größe eines Menschen identifiziert wurden.

Das bekräftigt die Annahme, dass Gene, die in Knorpelzellen die Bildung von Knochen steuern, letztlich auch darüber mitbestimmen, ob jemand 1,50 oder 1,90 wird. Ähnliches dürfte für Gene gelten, die Wachstumshormone steuern. Ob damit irgendwann eine präzisere Prognose der späteren Körpergröße eines frustrierten, auf seinen Wachstumsschub wartenden Teenagers möglich sein wird als das Röntgen der Hand, ist allerdings fraglich.

Denn diese Vorhersage weicht in nur zwei Prozent der Fälle mehr als zehn Zentimeter von der tatsächlichen späteren Körperendgröße ab. Etwa, wenn – wie bei mir – die Hände nun mal deutlich kleiner sind als üblich bei einem durchschnittlichen knapp 1,80 Meter großen Mann.

Am Ende verliert das jugendliche Drama um die Größe ohnehin das tragische Element, wenn das herangereifte, Loriot-gebildete Hirn weiß: „Es kommt auf den Charakter an.“

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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