„Besser wissen“: Wie Fachbegriffe falsch gebraucht werden

© PR „Besser wissen“: Wie Fachbegriffe falsch gebraucht werden

Von „Mainstreammedien“ und „Verschwörungstheorien“: Wenn Fachbegriffe zu Kampfbegriffen mutiert sind, sollten gerade Kommunikationswissenschaftler sensibler kommunizieren.

Eine Kolumne von Holger Wormer

Alltagskommunikation mit der Bahn-App: Ein Anschluss wird nicht erreicht, aber zum Glück wird eine „Alternative Verbindung“ vorgeschlagen. Berechtigte Hoffnung: Eine echte Alternative, um doch noch ans Fahrtziel zu kommen.

Forschungskommunikation auf einer Tagung: Unter dem Sammelbegriff der Forschung zu „Alternativen Medien“ werden seriöse Informationsmedien mit schlimmsten Desinformationsschleudern auf die gleiche Stufe gehoben. Aber sind diese wirklich eine „Alternative“, um sich zu informieren?

Gerade von der Kommunikationsforschung könnte man mehr Kommunikations-Sensibilität erwarten. Denn in der digitalen Welt ist die „Wissenschaftler-Laien-Schwelle“ gesunken, wie der Berliner Kommunikationsexperte Christoph Neuberger einmal treffend anmerkte: Auch wer nicht vom Fach ist, hat heute leichter Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen.

Doch was leichter an die Öffentlichkeit gelangt, wird dort nicht automatisch leichter verstanden. Forschende müssen sich daher vermehrt fragen, welche Fachbegriffe in der Außenkommunikation missverständlich sind – oder zum Missbrauch einladen.

So mag etwa der Begriff der „Verschwörungstheorie“ in der Fachwelt etabliert sein, in der Außenwahrnehmung verleiht die „-theorie“ im Wort auch absurdesten Echsenmenschengeschichten einen Hauch von Wissenschaftlichkeit. Einige Forschende sprechen daher lieber von „Verschwörungsmythen“.

Ein anderes Beispiel stammt aus der Medizin: Dort hieß es zeitweise, es gebe „keine ausreichende Evidenz“ dafür, dass Masken vor Coronaviren schützen. In der Öffentlichkeit wurde daraus fälschlicherweise: Masken hätten keine Wirkung. Die richtige Übersetzung aus der Fachsprache lautet dagegen: Es gibt noch „keine ausreichend guten Studien“ dazu. Das bedeutet aber eben noch lange nicht, dass es keine Schutzwirkung gibt.

Missverständliche Fachbegriffe gehören auf den Prüfstand – vor allem dann, wenn sie bereits vom Fach- zum Kampfbegriff mutiert sind. „Mainstreammedien“ für etablierte journalistische Medien wäre damit ebenso tabu wie der Begriff der „Alternativen Medien“, wenn eigentlich „populistische“ oder „Propaganda-Medien“ gemeint sind. Denn diese sind so wenig eine Alternative für seriöse Informationsmedien wie eine alternative Verbindung bei der Bahn, die gar nicht ans Ziel führt. Oder ein „Alternativer Antrieb“, der in Wahrheit gar nichts anzutreiben vermag.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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