© SMARTEX Project, Natural Environment Research Council, UK, smartexccz.org Artenreiche Tiefsee: Bergbau bedroht Lebensgemeinschaft im Pazifik
Die Artenvielfalt im größten Erkundungsgebiet für Tiefseebergbau ist groß, zeigt eine erste Bestandsaufnahme. Die Nachfrage nach dort ruhenden Mineralien bedroht mehr als 5000 neu beschriebene Arten.
Von Angela Bechthold, dpa
Im größten potenziellen Bergbaugebiet der Welt, mitten im Pazifischen Ozean, leben schätzungsweise 5580 Tierarten. Mehr als 90 Prozent dieser Arten seien der Wissenschaft neu und bislang unbeschrieben, berichtet ein Forschungsteam im Fachmagazin „Current Biology“.
Die Gruppe hatte in einer Bestandsaufnahme der sogenannten Clarion-Clipperton-Zone im östlichen Pazifik mehr als 100.000 Aufzeichnungen aus sieben Datenquellen über dortige Lebewesen ausgewertet. Die meisten der in diesem zwischen Hawaii und Mexiko gelegenen Tiefseegebiet erfassten Arten sind Gliederfüßer wie Garnelen oder Krebse. Aber auch Würmer, Stachelhäuter wie Seeigel und Schwämme sind vertreten.
„Es gibt dort unten bemerkenswerte Arten“, sagt Erstautorin Muriel Rabone, Tiefseeökologin am Natural History Museum in London. „Manche Schwämme sehen aus wie klassische Badeschwämme, andere wie Vasen. Sie sind einfach wunderschön.“
Lukrativer Unterwasser-Bergbau
Auf sechs Millionen Quadratkilometern – das entspricht grob der doppelten Fläche Indiens – ist die Clarion-Clipperton-Zone nicht nur Lebensraum für die überraschend große Artenvielfalt. Der Meeresboden in etwa 4000 bis 6000 Metern Tiefe ist reich an Bodenschätzen wie Mangan, Kobalt und Nickel. Solche Rohstoffe, mit denen etwa Batterien für Elektroautos hergestellt werden, sind sehr gefragt.
Die Mineralien dürfen zwar nicht außerhalb nationaler Hoheitsgebiete abgebaut werden. Unternehmen ist es aber erlaubt, solche Gebiete auf Bodenschätze zu erkunden. Für ein Sechstel des Meeresbodens der Clarion-Clipperton-Zone hat die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) sogenannte Erkundungslizenzen erteilt. Anträge auf kommerziellen Tiefseebergbau prüft die ISA in diesem Jahr.
Der erkundete Lebensraum bietet mehr Strukturen für Tiere als andere Tiefseegebiete. © SMARTEX Project, Natural Environ
„Angesichts des drohenden Bergbaus ist es doppelt wichtig, dass wir mehr über diese bisher kaum erforschten Lebensräume wissen“, sagt Rabone. Um das Ökosystem besser zu verstehen, haben diverse Expeditionen es erkundet. Dabei sammelten Forschende Proben mit ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugen oder einfach mit robusten Kisten, die über den Boden gezogen werden.
Aus solchen Datensätzen hat das Forschungsteam um Rabone eine erste Bestandsaufnahme zur Vielfalt der Meeresbodenfauna in der Clarion-Clipperton-Zone erstellt. Diese Checkliste umfasst insgesamt 27 Stämme, 49 Klassen, 163 Ordnungen, 501 Familien und 1119 Gattungen. Bis auf Ebene der einzelnen Art wurden bislang nur 438 der Tiefseebewohner beschrieben. Viele von ihnen dürften ausschließlich in dieser Region leben.
Obwohl die neue Analyse das Wissen über die Fauna in diesem Meeresgebiet erweitert, weisen Rabone und ihr Team darauf hin, dass es noch viele unerforschte Bereiche gibt. Die Zone ist reich an Knollen und Felsen, was sie von anderen Tiefseegebieten unterscheidet. Sie könnte besonders vielen verschiedenen Meerestieren Lebensraum bieten. Da es aber gerade für diese Felsbereiche kaum Daten gebe, werde die Vielfalt in der Region insgesamt noch unterschätzt.
Die Clarion-Clipperton-Zone ist eines der letzten Gebiete des globalen Ozeans mit unberührter Wildnis. „Wir müssen wissen, was in diesen Regionen lebt, bevor wir verstehen können, wie wir solche Ökosysteme schützen können“, sagt Co-Autor Adrian Glover.
- Artenschutz
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de